Thesen zur Pflegesituation

Prof. Dr. Ernst Engelke

Fakt

  • 5 %      der Bundesbürger ist abhängig von Pflegeleistungen
  • 5 %      der Bundesbürger leisten Pflege
  • 10 %    der Bundesbürger sind als Angehörige an der Pflege beteiligt
  • 80 %    der Bundesbürger haben ein distanziertes Verhältnis zur Pflege, geben aber vor zu wissen, was bei der Pflege falsch gemacht wird.

Ursache

Die kritisierenden 80 % Bundesbürger sind aktuell nicht bereit, die Pflege zu leisten, sofern nicht eigene Angehörige davon betroffen sind.
Dennoch ahnen sie Versorgungsdefizite für ihr eigenes Alter und Kranksein voraus.
Diese Vorausahnung macht ihnen Angst.
Sie suchen Schuldige, 
die für die Defizite bei der realen oder auch illusionären Pflegearbeit 
verantwortlich gemacht werden (können).

10 Thesen zur Situation der Pflege

Zusammenfassung des Impulsreferats „Machen wir’s gemeinsam“ zur Situation der Pflege (19.09.2022)
Literatur: Ernst Engelke: Die Wahrheit über das Sterben. Wie wir besser damit umgehen. (2022) 
TB Rowohlt Verlag Reinbek 2. Aufl. (2015) 12 €

  1. Die Situation der Pflege in Ihrer Stadt ist kein Spezialfall der allgemeinen Pflegenot.
  2. Die Situation der Pflege ist das Ergebnis des Zusammenwirkens vieler Faktoren und lässt sich nicht auf einen Aspekt reduzieren.
  3. Die Verantwortung für die Not-Situation wird rumgeschoben; doch niemand ist letztlich ohne Verantwortung für die Qualität der Pflege.
  4. Die Industrialisierung mit Arbeitsteilung, Spezialisierung, Professionalisierung, Kommerzialisierung und Geld als generalisiertem Hilfsmittel mit dem Hilfe ermöglicht und finanziert wird, prägt auch die Bedingungen der Pflege.
  5. Der Widerstand gegen die Begegnung mit der Greisin oder dem Greis in mir entscheidet mit für die Einsamkeit der Greisinnen und Greise.
  6. Kritik an der Pflege hat oft weniger mit der Pflege zu tun, als vielmehr mit dem Miterleben-Müssen des Verfalls geliebter Menschen.
  7. Utopische Erwartungen an die Pflege und utopische Zusagen der Pflege/Anbieter verschlimmern die Situation und führen zu unnötigen Enttäuschungen, Konflikten und Verletzungen.
  8. Börsennotierte Unternehmen profitieren von der Sicherheit der Einkünfte durch die Pflegeversicherung und erobern den Pflegemarkt.
  9. Die Verbesserung der Finanzierung- und der Arbeitsbedingungen für die professionellen Pflegekräfte ist erforderlich, wird aber allein die Pflegenot nicht beseitigen.
  10. Bei aller Klage über eine erwartete Pflegekatastrophe gibt es bundesweit und auch in Ihrer Stadt beispielhafte Engagements für die Pflege, in denen professionelle Pflegekräfte und Bürgerinnen und Bürger gemeinsam und einander ergänzend daheim und in Pflegeeinrichtungen pflegen

Wer wird Sie pflegen und wen werden Sie pflegen?

Prof. Dr. Ernst Engelke

Jahrgang 1941, studierte Philosophie, Theologie, Pädagogik und Psychologie.
Von 1980-2007 war er Professor für Soziale Arbeit an der Fachhochschule in Würzburg. Seitdem begleitet er Sterbenskranke und führt deutschlandweit Fortbildungen und Supervisionen für Mitarbeiter von Sozial- und Palliativstationen, Hospizen und Altenheimen durch. Seit 2000 engagiert sich Engelke u.a. in der Akademie für Palliativmedizin, Palliativpflege und Hospizarbeit und auf den Palliativstationen der Stiftung Juliusspital Würzburg.
Engelke ist Autor von zwölf Fachbüchern und zahlreicher Aufsätze zur Soziale Arbeit und zur Palliativmedizin, Palliativpflege und Hospizarbeit.
Er lebt in Würzburg.